Einführung des Sozialpraktikums am Grimmelshausen-Gymnasium: Referent*innen stellen ihre Einrichtungen vor

„Ob sich meine Einstellung zum Thema Tod durch meine Arbeit in der Pflege geändert hat?“ Andreas Heck von der Offenburger „Akademie hoch 2“ zögert kurz. Und antwortet dann: „Sie konnte sich nicht ändern. Ich hatte vorher keine.“ Dass man in sozialen Tätigkeiten mit existentiellen Fragen aller Art konfrontiert wird, hat vielleicht mit dazu geführt, dass das zu diesem Schuljahr neu eingeführte Sozialpraktikum am Grimmelshausen-Gymnasium im Verantwortungsbereich der Fachschaften Religion und Ethik angesiedelt wurde, wo man sich ja mit grundlegenden Lebensfragen (und Sterbensfragen) befasst. So liegt auch die Leitung des Sozialpraktikums bei der katholischen Religionslehrerin Frau Lienhard. Anfang 2024 werden die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen in einer sozialen Einrichtung ihrer Wahl ein Sozialpraktikum ablegen. Und dabei geht es nicht in erster Linie um Berufsorientierung. Vielmehr liegt der Fokus auf der Begegnung und Beziehungsaufnahme mit Menschen, die in irgendeiner Weise Unterstützung brauchen und die im schulischen und außerschulischen Alltag der Schüler, wenn überhaupt, eher selten vorkommen. Solche Begegnungen sensibilisieren für die Not anderer ebenso wie sie Erkenntnisse über eigene Stärken und Schwächen, Interessen und Abneigungen ermöglichen. Und Erfahrungen an anderen Schulen zeigen: Nicht selten öffnet ein solches Praktikum einem die Augen dafür, dass die angeblich Bedürftigen einem etwas voraushaben und dass man in puncto Lebensfreude und Dankbarkeit einiges von ihnen lernen kann.
Um einen ersten Einblick in die Tätigkeit in sozialen Einrichtungen der Region zu erhalten und darin, wie ein Sozialpraktikum dort konkret abläuft – dafür hatte Frau Lienhard die Zehntklässler im Rahmen der schulischen Methodentage am Donnerstag, den 28.9.23, zu einer Expertenrunde im Grimmelshausen-Gymnasium eingeladen. Insgesamt 14 Referentinnen und Referenten aus fünf unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen stellten ihre Arbeit und die Praktikumsbedingungen in ihren Einrichtungen den Schülergruppen vor – und dies nicht nur theoretisch.So hatten die Referenten des Offenburger Schulkindergarten praktisch anfassbare Gegenständen mitgebracht wie Knetbälle und eine um den Nacken legbare Spielschlange, und die Grimmelsschüler überzeugten sich selbst davon, dass diese eine beruhigende und entlastende Wirkung zeigen. Bei Frau Erb vom ASB Südbaden übten die Grimmelsschüler, eine Insulinspritze zu verabreichen, natürlich nicht am Menschen – sondern an einer Kiwi! Und dabei zeigten einige Zehntklässler besondere Fertigkeiten, die im schulischen Kontext eher nicht vorkommen. Beim Sozialpraktikum in der Langzeitpflege von Senioren im Erika-Zürcher-Haus (Meißenheim) wird es aber nicht Aufgabe der Zehntklässler sein, Spritzen zu geben, sondern Zeit mit den Senioren zu verbringen.
Weniger praktisch, doch nicht weniger intensiv ging es in den anderen vorgestellten Bereichen, „Leben mit Behinderung“, „Jugendhilfe“ und „Pflegeberufe“, zu. Die Referentinnen vom Haus Damasina in Schutterwald gaben authentisch Zeugnis vom Umgang mit Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung. Mit den Referenten der Jugendhilfe, Herrn Rössler von der Jugendberufshilfe und Herrn Frei vom Jugendamt, entspann sich ein lebhaftes und persönliches Gespräch, in dem die Schüler unter anderem wissen wollten, ob bei dieser Tätigkeit die Privatsphäre der „betreuten“ Jugendlichen und die der Sozialarbeiter gewahrt werde und wie die Sozialarbeiter mit Frust bei der Arbeit umgehen. Hier wie auch bei allen anderen vorgestellten Tätigkeitsfeldern wurde deutlich, dass Einfühlungsvermögen eine Grundvoraussetzung für die soziale Arbeit ist. Ebenso wichtig sind, so betonte Herr Frei vom Jugendamt, gerade im Bereich der Jugendhilfe Teamfähigkeit sowie Standfestigkeit, die eigene Position vor dem Jugendlichen wie auch vor Eltern zu vertreten. Denn im Fokus der Jugendhilfe stehe das Wohl des/der Jugendlichen. Zu ermitteln, worin dieses genau besteht, sei Aufgabe nicht eines einzigen Helfers, sondern eines gesamten Teams aus Fachkräften in der Jugendhilfe. Und deren Position kann immer mal wieder auch konträr zu eigenen Wünschen der Jugendlichen und/oder ihrer Eltern sein.
Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Ob sich durch das Sozialpraktikum die Einstellung der Grimmelsschüler zu grundlegenden Lebensfragen ändern wird, mag dahin gestellt sein. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Jugendlichen durch ihren Einsatz in einer sozialen Einrichtung angeregt werden, sich mit existentiellen Fragen auseinanderzusetzen und wie Herr Heck überhaupt eine Einstellung dazu zu entwickeln.

Text: Veronika Burth
Bilder: Brt & Lnh
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